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Schere im Kopf

Rund um die bekannt gewordene Internettotalüberwachung schreibt Ludwig Greven:

In der DDR gingen Menschen, die sich unbeobachtet von der Stasi unterhalten wollten, in den Wald oder in einen Park und sprachen unter vier Augen miteinander. Wer heute unbeobachtet bleiben möchte, sollte vielleicht nicht im Internet miteinander reden.

Was für eine erschreckende Reaktion, da wird mit den Füßen auf Grundrechten[1] herumgetrampelt und die einzige Reaktion vom (anteiligen) Souverän ist Kopf einziehen. Die Teilhabe am öffentlichen Leben erfordert es, dass sich jeder Einzelne auch unbeobachtet fühlen kann[2], der Rückzug in den eigenen Kopf (dann chatte ich eben nicht) ist eine Katastrophe für eine lebendige Demokratie.

Vor wenigen Jahren sagte das Merkel zur Internetüberwachung:

Wir werden nicht zulassen, dass technisch manches möglich ist, aber der Staat es nicht nutzt.

Nun ja, mit NSA und GCHQ haben wir zwei Beispiele dafür, was so alles technisch machbar ist – und vor dieser Zukunft habe ich Angst. Die Post-Privacy-Bewegung (Spackeria der Piratenpartei und ähnliche) ist zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen wie der Zeit-Artikel, aber mit noch grässlicheren Vorzeichen: Die ersehnen geradezu das Ende der Privatheit, während Greven nur resigniert.

Die Aufgabe der Selbstbestimmung kann keine Lösung sein, die Machtbalance zwischen Staat, Unternehmen und Bürgern ist gewaltig aus dem Gleichgewicht geraten[3]. Schäuble konnte noch sagen, dass die Gleichsetzung meiner Person mit der Stasi eine Beleidigung [ist], ein Friedrich mit seinem „Kritik an PRISM ist Antiamerikanismus“ (paraphrasiert) hat keinerlei Rückzugsmöglichkeiten mehr.

Die Sicherheitspolitik der letzten Jahre zeigt deutlich, dass die Politik Angst vor der eigenen Bevölkerung hat. Greve will darauf mit Methoden aus autokratischen und diktatorischen Staaten reagieren – ein vollkommen falscher Weg, sich mit Unrecht abfinden sorgt nur dafür, dass dieses (Gewohnheits-)Recht wird.

[1] Stichwort Informationelle Selbstbestimmung
[2] sieh dazu etliche Urteile, die anlasslose Videoaufnahmen durch die Polizei bei Demonstrationen für rechtswidrig erklärten
[3] Weil’s so gut passt: Demokratie ist, was die Eliten darunter verstehen. Money Quote: Die Eliten glauben mehrheitlich, dass sie besser als die Bevölkerung wissen, was für diese gut ist.

Von renke

IT-Ratte (oder Systemadministrator), hat nen neues Spielzeug gekriegt und wird die "Genese" des Servers hier bebloggen.

21 ist nur die halbe Wahrheit.