Aus gegebenem Anlass ohne weitere Erklärung.
* Die Impfstoffe sind in Europa nicht zugelassen
Die Coronaimpfstoffe sind zugelassen, über das Verfahren der „bedingten Markzulassung“. Dieses ist zwar abgekürzt, wird aber trotzdem von den Behörden überwacht (EMA auf EU-Ebene, BfArM in Deutschland).
Das ist auch nichts spezielles, das nur für Corona erfunden wurde. Ich habe mal spaßeshalber im europäischen Arzneimittelregister[0] nach „Conditional marketing authorisation“ gesucht und finde da z.B. auch Krebsmedikamente.
* Es gibt keine Haftung bei Impfschäden
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Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes wurde in § 60 IfSG klargestellt, dass für alle gesundheitlichen Schäden, die im Zusammenhang mit Schutzimpfungen eingetreten sind, die auf Grundlage der Coronavirus-Impfverordnung seit 27. Dezember 2020 vorgenommen wurden, bundeseinheitlich ein Anspruch auf Entschädigung besteht. Dieser Anspruch besteht unabhängig von den öffentlichen Empfehlungen der Landesbehörden.
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[1]
* In Deutschland gibt es keine Übersterblichkeit
Ich kann mir vorstellen, dass die Grundlage eine Pressemitteilung der Uni Duisburg/Essen ist[2], bzw speziell die Überschrift und wie dies dann in den Medien und Whatsapp etc verbreitet wurde.
Gestern habe ich mir das Paper selbst durchgelesen[3]: Die Autoren haben die 2020er-Übersterblichkeit von Deutschland, Schweden und Spanien verglichen mit dem Zeitraum 2016-2019, mit eingerechneten Korrekturen rund um höhere Lebenserwartung und ähnliches. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass es in Deutschland keine Übersterblichkeit gab, in Schweden eine minimale und auffällig hoch in Spanien.
Das ist natürlich im Hinblick auf Corona etwas überraschend (so gab es in Schweden nur minimale Maßnahmen zur Eindämmung), aber die Autoren treffen keine Aussage über die Ursache und betonen auch, dass es natürlich Tote durch Corona gab.
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The cumulative SMR below 1 observed for Germany does not mean that there were no deaths caused by COVID-19. The SMR values depend strongly on the extent of overall mortality in the preceding years and higher values could be assumed if, for example, there had been fewer influenza deaths in the comparison years. Side effects of pandemic control may lead to both an increase and a decrease in mortality. On the one hand, as an example, in Germany the number of persons who died in traffic accidents was reduced by 18% during March to June 2020 compared to March to June 2019. On the other hand, in Germany a decline in hospital admissions was reported for cancer and heart failure.
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In einer Pressemitteilung von Destatis[3a, war ein Nachtrag :)] werden 4 % der Todesfälle in Deutschland im Jahr 2020 auf Corona zurückgeführt.
-> Die Studie gibt es, die Zahlen sehen plausibel aus, die Autoren haben aber nicht den Anspruch, die Ursachen erkundet zu haben oder eine Aussage über die Pandemie getroffen zu haben. Siehe auch im Abschnitt Grippe für einen Erklärungsansatz.
* Grippewellen sind schlimmer als Covid
Eine Influenzaerkrankung, vor allem bei einem sowieso geschwächten Immunsystem (also auch viele alte Menschen), hat eher indirekte Auswirkungen und der Tod wird oft durch Bakterien ausgelöst (großflächige Entzündungen von Organen etc). Auch wenn es zynisch ist: Solche Patienten werden nicht in eine Intensivstation eingeliefert, dort kann auch nicht mehr gemacht werden als Antibiotika und Schmerzmittel zu geben. Und das kann auch der Hausarzt oder Pflegeeinrichtung. Aber Corona? Mit akuter Atemnot? Das ist ein klassisches Symptombild für den schnellstmöglichen Transport in das nächste Maximalversorgungskrankenhaus.
Die Maßnahmen zur Eindämmung (Hände waschen, Abstand, Masken) haben übrigens auch direkt Auswirkung auf die Härte der Grippewellen: Im ersten Halbjahr 2020 gingeb die Fallzahlen der (moderaten) Grippewelle 19/20 abrupt zurück mit Einführung der Regeln.[4]
* Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden über 170.000 Impfnebenwirkungen gemeldet
Stimmt natürlich.[5] Aber es muss genauer heißen, dass es _Verdachts_meldungen sind. Die bis auf den zeitlichen Zusammenhang auch nichts mit dem Impfstoff zu tun haben müssen (einen Tag nach der Impfung von einem im Sturm herunterfallenden Ast erschlagen zu werden, ist sogar eine schwerwiegende Verdachtsmeldung, wird aber nach der Bewertung _nicht_ als Nebenwirkung im Beipackzettel auftauchen).
Die Menge an Meldungen ist auffällig hoch (die Impfkomplikations-Datenbank enthält für den Zeitraum 2000 bis Ende 2020 deutlich weniger Einträge[6]), aber das ist erklärbar: Erst mit den Covid-Impfstoffen hat das PEI überhaupt intensiv angefangen, Meldungen von Nur-Patienten aktiv zu bewerben und anzufragen. Das Meldeportal[7] gibt es schon länger – aber wer wusste davon? Also, ich nicht. Und speziell für die Corona-Impfungen wurde auch eine Smartphone-App veröffentlicht, die ganz gezielt an die breite Öffentlichkeit gerichtet ist.
Eine gravierende, auf die Impfung zurückzuführende Nebenwirkung, ist eine Herzmuskelentzündung, am häufigsten bei männlichen Jugendlichen mit einer Quote von 1:16.000. Ob das Risiko einer Coronaerkrankung oder dieser Impfnebenwirkung überwiegt, soll hier gar nicht Teil der Betrachtung sein. Aber eine Einordnung der Wahrscheinlichkeit: Anfang des Jahres hatte ich eine FSME-Auffrischungsimpfung. In den Fachinformationen[8] werden Nebenwirkungen aufgeführt bis zu „Selten“, definiert als 1:1.000 bis 1:10.000 – und dies wird eher nicht daran liegen, dass es keine noch selteneren Nebenwirkungen gibt, sondern das diese nicht weiter aufgefallen und systematisch nachvollzogen worden sind. Die Ausnahmesituation der Coronapandmie sorgt aber dafür, dass alle Beteiligten (interessierte Bevölkerung, Medien, Behörden, Wissenschaft, Politik usw) sehr genau auf alles achten, was mit der Krankheit und ihrer Behandlung zu tun hat. Und damit auch sehr seltene Nebenwirkungen besser erkannt werden.
Meiner Meinung nach ist die hohe Meldungszahl und breite Aufmerksamkeit auch gut im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit: So werden dem PEI auch Daten geliefert für mögliche seltene Komplikationen.
* Die Komplikationen bei Schwangeren und Neugeborenen wissen wir in frühestens einem halben Jahr
Es ist jedem unbelassen, den Studienergebnissen (noch) nicht zu trauen – für diese Personengruppe wurde mit Phase 2 und 3 später begonnen (was normal ist) und die STIKO-Empfehlungen[9] beruhen auf einer kleineren Datenbasis. Aber das ist kein sehr stichhaltiger Grund gegen eine Impfung für Menschen in der Alterspanne ab 60 Jahren.
[0] https://www.ema.europa.eu/en/medicines
[1] https://www.zusammengegencorona.de/impfen/logistik-und-recht/rechtliche-fragen/
[2] https://www.uni-due.de/2021-10-21-keine-uebersterblichkeit-durch-corona
[3] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0255540
[3a] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/11/PD21_505_23211.html
[4] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/07_21.pdf?__blob=publicationFile
[5] https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-09-21.pdf?__blob=publicationFile&v=8
[6] https://www.pei.de/DE/arzneimittelsicherheit/pharmakovigilanz/uaw-datenbank/uaw-datenbank-node.html
[7] https://nebenwirkungen.bund.de/nw/DE/home/home_node.html
[8] https://www.pfizer.de/sites/default/files/FI-7018.pdf
[9] https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Impfung_Schwangere_Stillende.html