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Ein Nekrolog auf Artikel 5

Callactive (die Leute, welche diese unsäglichen Call-In-Hier-Geld-Verdienen-Shows für MTV produzieren) haben ja gegen Stefan Niggemeier geklagt, weil in einem seiner Beiträge ein unzulässiger Kommentar knapp 8 Stunden (von 03:37 bis 11:06 Uhr) lang zu lesen war.

Er hat diesen Kommentar ohne Aufforderung gelöscht, wurde jedoch trotzdem verklagt – und hat jetzt vor dem LG Hamburg verloren. Nicht weiter unerwartet, dieses Gericht ist auch bisher nicht durch onlinefreundliche Urteile aufgefallen, aber ein Aspekt habe ich dabei übersehen, bisher hielt ich einige der Entscheidungen einfach „nur“ für Schikane und aufwändig (wie z.B. die Vorabprüfungspflicht aller Einträge in den Heise-Foren und so…), doch mit einer Einschränkung der Meinungsfreiheit rechnete ich so in der Form nicht.

Das Gericht hat entschieden, dass bei brisanten Beiträgen (lies: wenn in irgend einer Weise damit zu rechnen sei, dass eventuell etwas rechtwidriges in den Kommentaren dazu stehen könnte) eine Vorabkontrolle aller Kommentare notwendig ist. Niggemeier stellt sich nun die Frage, wie kritische von unkritischen Beiträgen abgegrenzt werden sollen und dass es für jede Firma mit einem Geschäftsmodell, über das man streiten kann, ein leichtes ist, Beiträge rauszukegeln und wegzuklagen, indem einfach pseudonym ein „ehrverletzender“ Kommentar geschrieben wird.

Wahrscheinlich bewege ich mich jetzt sehr am Rande des Zitatrechts, aber folgender Absatz über das Gebahren des LG Hamburgs spricht einfach für sich:

Es ist auch eine Welt, in der man das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht als eine der größten Errungenschaften zu sehen scheint, sondern als eine ständige Bedrohung, die bislang zum Glück eher theoretischer Natur war, seit dem Siegeszug des Internets aber ganz praktisch täglich bekämpft werden muss. Es kam mir am Freitag im Gerichtssaal vor, als schwebe über der ganzen Verhandlung unausgesprochen die Frage, warum es das überhaupt geben muss: die Möglichkeit für jedermann, Kommentare abzugeben — wir sind doch bislang auch ganz gut ohne ausgekommen.

Irgendwas läuft da meines Erachtens ganz schön schief, Persönlichkeitsrechte scheinen unwichtig zu sein, nur noch Rechte für juristische Personen zählen. Und das ganze noch verbunden mit dem Angriff der Regierung gegen die Einwohner macht mir Angst.

Wie war das mit der Revolution?

Von renke

IT-Ratte (oder Systemadministrator), hat nen neues Spielzeug gekriegt und wird die "Genese" des Servers hier bebloggen.

21 ist nur die halbe Wahrheit.